Lied vom Ackersmann
(Claus Irmscher)

Es war ein Schweizer Ackersmann‚
der fing schon früh zu rackern an
und knallte mit seiner Peitsche.
Er ging als Mann nicht hinterm Pflug‚
die Pferde‚ die er lustig schlug‚
waren lauter kreuzbrave Deutsche.

Sie schröpften als Banker die Kunden gut‚
die Vorteilsnahme lag ihnen im Blut‚
der Charakter jedoch ging verloren.
Sie mehrten fleißig den Firmengewinn
mit Schmeichelwort und Boxerkinn
und waren dem Haus verschworen.

Die Rendite reichte dem Boß nicht aus‚
vor Neid sah er zum Fenster hinaus‚
wo im Ausland Gewinne flossen.
Wie könnte er mit der Gewächshausschar
auch fünfundzwanzig Prozent im Jahr
emporsprießen lassen die Sprossen?

Die braucht er zuerst einmal für sich‚
sodann für die Herrn vom Vorstandstisch‚
zuletzt für Investmentgesellen.
Für Aktionäre ist nichts mehr da‚
das liegt dann am Kontinentalklima
oder an ausgetrockneten Quellen.

Er entscheidet frei‚ was er sich nimmt‚
darum sind die Aktionäre verstimmt‚
doch sie haben ihm nichts zu sagen.
Auch wenn er das Tafelsilber versäuft‚
was die Vorgänger einst angehäuft‚
soll ihn das nicht weiter plagen.

Er wird ein paar hundert Leute entlassen‚
so gibt es wieder was zu verprassen‚
das hebt die Moral gewaltig.
Er behauptet‚ das wäre der Welten Lauf‚
sonst fräße die Globalisierung sie auf‚
die wäre sehr billiglohnhaltig.

Er ist als Ausländer nicht intressiert‚
daß die deutsche Wirtschaft sich umformiert
und Arbeitsplätze sich bilden.
Ihm reicht es‚ wenn er zusammenrafft‚
was ins Haus fließt durch die Leidenschaft
dieser arbeitswütigen Wilden.

Es hat schon mal ins Unglück gestürzt
und das Leben von Millionen verkürzt
ein besessener Beutegermane.
So schlimm wird es mit ihm ja nicht‚
daß halb Europa zusammenbricht‚
er ist nur ein Kleptomane.

Die deutschen Michel vertragen was‚
sie sitzen gern auf dem Pulverfaß‚
das haben sie mehrfach bewiesen.
Man führt sie leicht zum Guten wie Bösen‚
kein Psychiater kann sie davon erlösen‚
sie fühlen sich wohl erst in Krisen.

Der Ackersmann ruht auf der deutschen Bank‚
die Renditemilch ist sein Erquickungstrank‚
die schlürft er mit größtem Behagen.
Die Kuh ist geduldig und wartet still‚
wenn der Landstreicher sie wieder melken will
und sich vollsäuft bis über den Kragen.

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