Jochen Klepper
(Wolfgang Schühly)

Jochen Klepper wurde als Dichter zum evangelischen Liedkanon gehörender Kirchenlieder sowie als Autor des 1937 erschienenen Romans »Der Vater« berühmt. Sein von inneren und äußeren Konflikten‚ von Schwermut‚ aber auch von großer Schaffenskraft geprägtes kurzes Leben bis zu seinem tragischen Ende 1942 hat Markus Baum (Jhrg. 1963) in einer umfangreichen Biographie nachgezeichnet. Kleppers dichterisches Werk findet darin ebenso Würdigung wie sein Ringen um religiöse Fragen. Um zur Beschäftigung mit Klepper und seinem Werk‚ das auch heute noch Gültigkeit besitzt und Interesse verdient‚ anzuregen‚ sei im folgenden kurz auf sein Leben eingegangen.
Joachim Georg Wilhelm Klepper wurde 1903 im niederschlesischen Beuthen geboren und wuchs in einem protestantischen Pfarrhaus auf. Seine Mutter war konvertierte Katholikin‚ sein Vater evangelischer Pfarrer. In seinem Elternhaus wurde ihm früh der Hang zur Beschäftigung mit religiösen Fragen und die Freude an musischen Tätigkeiten vermittelt. Klepper‚ der zunächst Theologie studierte mit dem Ziel‚ seinem als Prediger begnadeten Vater nachzufolgen und Pfarrer zu werden‚ zwang ein psychischer und physischer Zusammenbruch 1926 zum Umdenken‚ woraufhin er seine künstlerisch-musische Seite zu verwirklichen trachtete. Mit diesem Wendepunkt und der Hinwendung zur Arbeit als Journalist und Dichter/Schriftsteller‚ sowie der Lossagung vom akademischen Studium der Theologie beginnt die für uns interessante Figur des Jochen Klepper.
Im Jahre 1931 heiratet Klepper‚ der in Breslau beim Rundfunk arbeitete‚ die verwitwete und 13 Jahre ältere Johanna Stein‚ die der jüdischen Modedynastie Gerstel entstammt. In Johanna findet er eine ihm an literarischen und musischen Interessen ebenbürtige Partnerin. Ab September 1931 in Berlin lebend‚ verschlechtert sich die wirtschaftliche Lage der Familie zusehends. Klepper hat eine Anstellung beim Berliner Rundfunk‚ die er im Juni 1933 verliert. Seit 1932 führt er regelmäßig Tagebuch. Selbsterkenntnisse Kleppers‚ die er für gewöhnlich in seinem Tagebuch vermerkt‚ werden‚ wie z.B. sein von ihm bewußt wahrgenommenes Erlahmen des »inneren Elans« thematisiert. Klepper wirft sich schon in jungen Jahren (kaum ist er 30 geworden) vor‚ nichts wirklich Wichtiges geschrieben zu haben. Doch geht es auch bald wieder aufwärts mit seiner Produktivität: Die Novelle »Kahn der fröhlichen Leute« entsteht 1933. In diesem Werk verbinden sich Elemente seiner Kindheit mit der Flußlandschaft der Oder‚ in der er aufwuchs. Baum nennt das Buch einen einen »Abgesang auf eine einst vertraute‚ längst fremde Welt«.
Eine Existenz im ausländischen Exil ist für Jochen Klepper keine denkbare Möglichkeit‚ den Nachstellungen der Nationalsozialisten zu entgehen. Doch finden sich für Klepper bald neue Betätigungsfelder‚ so die Arbeit an seinem literarischen Hauptwerk »Der Vater«. Diese beginnt schwungartig nach einer Anregung durch Wilhelm Emanuel Süskind. Bald steht für Klepper fest‚ daß er ein Buch über König Friedrich Wilhelm I. schreiben muß. »Der Vater«‚ gemeint ist der Soldatenkönig‚ Vater Friedrichs d. Gr.‚ wird neben Horst Langes Roman »Schwarze Weide« (erschienen 1937) eines der bedeutendsten Romanzeugnisse aus Deutschland in jener Zeit. Die Arbeit am »Vater« geht ihm gut von der Hand‚ auch bekommt er einen finanziellen Vorschuß. Das Buch erscheint schließlich 1937 nach Jahren harter Arbeit. In diesem – übrigens auch heute noch äußerst lesenswerten – Roman mischen sich Erfahrungen und Projektionen aus Kleppers eigener Vaterbeziehung‚ wobei klar durchdringt‚ daß wahre Vaterschaft sich an »Gott als dem Maß aller Dinge« messen lassen muß. Die Tiefe und Vielschichtigkeit des Vaterromans im Kontext von Kleppers Biographie‚ seiner Religiosität und der Auffassung von Verantwortung als einer Verantwortung vor Gott wird in Baums Biographie treffend herausgearbeitet.
Ab 1936 findet Klepper zunehmend zur Dichtung und damit zu einer Möglichkeit‚ sich den Widrigkeiten seines Lebens produktiv entgegenzustellen. Seine Gedichte finden in Baums Biographie eine ausführliche Darstellung. Auch wenn Klepper seinen eigenen Werken meist sehr kritisch gegenüberstand‚ hat er sich doch zweifellos als Dichter in seinem von Brüchen reichen Leben neu definieren können. Seine Gedichte zeugen von hohem lyrischen Können: Sprachfluß‚ Rhythmik und religiöse Ausdruckskraft sind einzigartig‚ ähnlich wie bei Matthias Claudius. 1938 ist das Jahr seiner höchsten dichterischen Produktivität. So verwundert es nicht‚ daß viele seiner Texte vertont wurden und Eingang ins evangelische Gesangbuch fanden‚ deren zwei unbedingt zu nennen wären: »Die Nacht ist vorgedrungen« und »Der du die Zeit in Händen hast«.
Die Pogromnacht von 1938 raubt Kleppers Familie die Hoffnung auf eine Besserung ihrer Lebensumstände. Die ältere Stieftochter emigriert kurz vor Kriegsbeginn‚ dies war der jüngeren nach der Schließung der Grenzen nicht mehr möglich. Trost spenden die Kontakte zu Freunden‚ besonders aber der schöpferische Umgang mit religiösen Inhalten. Zu Kleppers wenigen Freunden gehört der gleichaltrige katholische Schriftsteller Reinhold Schneider‚ zu dem er aufschaut und mit dem sich ein reger Briefwechsel entspinnt. Im Dezember 1940 wird Klepper zur Wehrmacht einberufen‚ jedoch nach einigen Monaten wegen seiner Ehe mit einer jüdischen Frau als wehrunwürdig entlassen. Die Niedergeschlagenheit nimmt zu‚ als die Ausreiseanträge der Stieftochter abgelehnt werden‚ und die Familie Klepper beschließt den gemeinsamen Freitod in der Nacht vom 10. auf den 11. Dezember 1942. Klepper‚ der sich schon als Student mit Selbstmordgedanken beschäftigte und darüber in seinen Tagebüchern 1933 schrieb: »Ich glaube‚ daß der Selbstmord unter die Vergebung fällt wie alle andere Sünde«‚ ist nicht einmal 40 Jahre alt geworden.
So birgt die Biographie Jochen Kleppers von Markus Baum eine Fülle an Einzelheiten über Kleppers Leben‚ besonders auch über seinen geistigen Werdegang‚ der in Kleppers eigenen Aufzeichnungen bis zum verhängnisvollen Ende nachgezeichnet wird. Baum stellt Kleppers Tagebücher‚ die 1957 in Auswahl herausgegeben wurden‚ denen des Dresdner Literaturwissenschaftlers Victor Klemperer aus der gleichen Zeit an die Seite. Laut Baum trennt ihn von Klemperer allerdings die Abwesenheit eines Anspruchs als politischer Schriftsteller. Passagen aus Kleppers Tagebüchern‚ die seinen theologischen und geistigen Werdegang erhellen und seine Haltung gegenüber den politischen Verhältnissen darstellen‚ werden reichlich zitiert.
Als Fazit sei Markus Baums Klepper-Biographie all jenen ans Herz gelegt‚ die sich über den Autor‚ Liederdichter und den von Spannungen zerrissenen Menschen Jochen Klepper umfassend informieren möchten. Kleppers komplizierte Beziehungsverhältnisse‚ sei es zu seinem Vater‚ sei es – man muß es trotz seiner großen Nachwirkung in der evangelischen Liedpraxis klar sehen – zu seiner Kirche und Religion‚ werden auf einfühlsame Weise dargestellt. Ebenso Kleppers Grundfeste‚ die sich im pflichtbewußten theologischen Klepper als auch im unsteten‚ zum Künstlertum berufenen Klepper manifestiert.

Markus Baum: Jochen Klepper. 2011. 287 S. ISBN 978-3-86256-014-1 Neufeld Verlag Gb. 17‚90 €

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